Ziemlich genau seit Anfang des Monats beschäftigt große Teile West- und
Mitteleuropas ein langwelliger Höhentrog in der mittleren und oberen
Troposphäre, der - natürlichen Schwankungen in Position und Form
unterworfen - für anhaltend unbeständiges und für die Jahreszeit viel
zu kühles Wetter sorgt. So liegen die bisherigen
Monatsmitteltemperaturen deutschlandweit deutlich unter dem
langjährigen Durchschnitt, im Westen war es bislang örtlich mehr als 5
Kelvin kälter als normalerweise im Mai üblich. Hinzu kommen kräftige
Niederschläge - am vergangenen Dienstag in Gestalt von örtlich
unwetterartigen Gewittern, sonst eher als Dauerregen. Im Südschwarzwald
fielen allein am Mittwoch und Donnerstag zum Teil mehr als 60 mm
innerhalb von 24 Stunden, bis Samstag kommen dort noch einmal 20 bis 30
mm hinzu. In den Gipfellagen rieselten erneut Flocken, auf dem Feldberg
lagen am Donnerstagabend 5 cm Schnee. Passendes Wetter also zu den
"Eisheiligen", wenngleich diese sich sonst eher durch trocken-kalte
Luft mit klaren und frostigen Nächten auszeichnen.
Am Donnerstagabend erstreckt sich der angesprochene Langwellentrog mit
seiner Hauptachse vom grönländisch-isländischen Raum über die
Britischen Inseln und Frankreich hinweg zur Iberischen Halbinsel und zu
den Kanaren. Besonders ins Auge sticht dabei der aktive Südteil des
Troges mit einem eingelagerten kleinen Höhentief über den Pyrenäen
sowie einem über Norditalien nach Osten gerichteten Kurzwellentrog. Auf
der Vorderseite des gesamten Trogsystems liegen weite Teile des
östlichen Mittel-, Ost- und Südeuropas unter tiefem Luftdruck. Längs
durch diese Zone tiefen Luftdruckes hindurch verläuft eine
Luftmassengrenze vom Norden Skandinaviens über die Ostsee, Polen und
Tschechien zu den Alpen und nach Südfrankreich; sie trennt äußerst
kühle Meeresluft im Nordwesten von wärmerer Luft südöstlich von ihr.
Zum einen Warmluftadvektion in der mittleren und oberen Troposphäre,
andererseits dynamische Hebungsprozesse unmittelbar vor und damit
nördlich des kurzwelligen Troganteils über Norditalien stützen
Niederschläge im Bereich dieser Luftmassengrenze. Diese sind zur warmen
Seite - inneralpin und südlich der Alpen - in der labil geschichteten
Warmluft konvektiver Natur, auf der kalten Seite überwiegen dagegen
länger andauernde Regenfälle. Mit einer bodennah nördlichen Strömung an
der Nordwestflanke des tiefen Druckes kommt in Alpennähe eine
Staukomponente hinzu, sodass dort die Niederschläge besonders ergiebig
ausfallen. Am Freitag ändert die Luftmassengrenze ihre Position kaum,
allerdings schwenkt der Kurzwellentrog über die Alpen hinweg nach
Norden. Mit ihm verschiebt sich der Schwerpunkt der
Niederschlagstätigkeit zunehmend zur Mitte Deutschlands, aber auch an
der Luftmassengrenze sind weitere Regenfälle zu erwarten. Im
Zusammenhang mit dem Kurzwellentrog geht aus der Tiefdruckzone über der
Slowakei und Tschechien ein eigenständiges Tief hervor, das unter
Intensivierung bis zum Tagesende zur polnischen Ostseeküste zieht. Um
den Tiefkern herumgeführte Warmluft mit entsprechenden großräumigen
Hebungsvorgängen lassen zum Abend auch im äußersten Nordosten
Deutschlands kräftige Regenfälle aufkommen. Die sonnige Karte zieht
dagegen der Nordwesten, wo zwischen dem Tief über Polen und einer
weiteren Zyklone bei Island kompensatorisches Absinken wirkt. Indes
schwenkt auch der südliche Teil des Langwellentroges über die Iberische
Halbinsel hinweg zum westlichen Mittelmeerraum. Dort gerät ein von
Algerien und Tunesien aus nordostwärts wanderndes Tief unter seine
stark hebungsfördernde Vorderseite und findet somit ideale
Entwicklungsbedingungen vor. Als Sturmtief verlagert es sich bis
Sonntag über die Mitte Italiens, die Adria und das südöstliche
Mitteleuropa nach Südpolen, wobei in seiner Spur großflächig zwischen
100 und 150 mm Regen innerhalb von 48 Stunden fallen können. Dabei
drohen Überschwemmungen, in der Nähe des Tiefzentrums in Tschechien und
im Osten Österreichs zudem anhaltender Nordsturm. Ein Teil der
Niederschläge erfasst auch den Süden und Südosten Deutschlands. Mit dem
anderen, von Nordpolen am Samstag über Kattegat und Skagerrak westwärts
ziehenden Tief stehen auch im Norden nochmals kräftige Regenfälle in
Aussicht, während sich sonst von Westen her allmählich
Hochdruckeinfluss und damit etwas freundlicheres Wetter durchsetzt.
Die weitere Entwicklung zu Beginn der kommenden Woche ist noch von
einigen Unsicherheitsfaktoren geprägt. Am Rande eines sich über
Westeuropa etablierenden Hochs gelangt von Nordwesten her zwar nach wie
vor kühle Luft nach Mitteleuropa, bei größeren Sonnenanteilen wird es
insgesamt jedoch wärmer als zuvor. Der Nordosten Deutschlands verbleibt
voraussichtlich noch längere Zeit im Einflussbereich des
osteuropäischen Tiefs.
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