Als "Martini-Sommer" wird in Mitteleuropa eine Wettersingularität zum
Ende des ersten Novemberdrittels bezeichnet, die durch viel Sonnenschein
und vergleichsweise hohe Temperaturen gekennzeichnet ist. Der Name
"Martini" allerdings hat in diesem Fall nichts mit dem beliebten
alkoholischen Mischgetränk zu tun, sondern bezieht sich auf den Heiligen
Martin, bei dessen Tod im Jahre 397 nach Christus dieses Phänomen der
Legende nach zum ersten Mal aufgetreten sein soll. Etwas verspätet darf
man sich auch in diesem Jahr über ein paar sonnige und für Mitte
November ungewöhnlich warme Tage freuen; bereits am Dienstag wurden an
drei Stationen in Deutschland neue Dekadenrekorde aufgestellt, Kempten
überbot mit einer Höchsttemperatur von +20,2 Grad seinen 32 Jahre alten
Rekord dabei gleich um 1,4 Kelvin.
Am Donnerstag ähnelt die großräumige Wettersituation in Europa dem Bild
der vergangenen Tage. Zwischen einem umfangreichen Tiefdruckgebiet mit
Zentrum knapp südlich von Island und hohem Luftdruck über dem
südeuropäischen Raum wird mit einer lebhaften Südwestströmung nach wie
vor für die Jahreszeit ungewöhnlich warme Luft nordostwärts verfrachtet.
Das imposante Sturmtief, das am Mittwoch dem Norden Deutschlands
verbreitet schwere Sturm- und einzelne Orkanböen brachte, liegt
inzwischen deutlich abgeschwächt über dem Westen Russlands. Innerhalb
der auch in höheren Stockwerken der Troposphäre ausgeprägten
Südwestströmung laufen am Donnerstag und Freitag kurzwellige Randtröge
auf der Vorderseite eines mächtigen atlantischen Langwellentroges
nordostwärts. Fast gänzlich ohne unmittelbare Auswirkungen auf das
Wettergeschehen tut dies am Freitag Vormittag ein über Benelux und
Norddeutschland zur Ostsee schwenkender Anteil, ein zweiter folgt
bereits zum Abend etwas nordwestlicher ansetzend nach. Letzterem kann
die langgestreckte Kaltfront des Tiefs bei Island zugeordnet werden, an
der sich bei den Britischen Inseln zudem eine vorerst flache Welle
ausbildet. Die Kaltfront streift am Abend und in der Nacht zum Samstag
über den Norden Deutschlands hinweg und wird am Samstag als Warmfront
eines neuen, kräftigen Tiefs westlich der Britischen Inseln wieder nach
Norden rückläufig. Insgesamt fällt dabei aber nur wenig Regen oder
Sprühregen. Der Süden des Landes verbleibt unter dem Einfluss des
südeuropäischen Hochs mit ruhigem und teilweise zu Nebel und Hochnebel
neigendem Wetter. Im breiten Warmsektor des zumindest für den Norden der
Britischen Inseln möglicherweise gefährlich werdenden Tiefs erfolgt am
Samstag nochmalig ein Vorstoß äußerst milder Luftmassen subtropischen
Ursprungs nach Mitteleuropa. Diese Warmluftmasse wird am Sonntag mit
Passage der Kaltfront jedoch rasch nach Osten abgedrängt und durch
kühlere Meeresluft ersetzt.
Anfang der kommenden Woche verlagert sich das britische Tief, seine
besten Tage bereits erlebt habend, Richtung Südnorwegen. Der zugehörige
Höhentrog bewegt sich über Mitteleuropa ostwärts. Jedoch steht über dem
mittleren Nordatlantik schon der nächste massive Kaltluft- und damit
Trogvorstoß nach Süden bevor, sodass die Strömung über West- und
Mitteleuropa gegen Wochenmitte erneut auf Südwest rückdreht. Nach kurzer
Unterbrechung setzt sich die milde Witterung somit fort.
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