Nach den Eisheiligen im Mai bezeichnet die Schafskälte, die
üblicherweise gegen Mitte Juni auftritt, eine zweite kalte Singularität
beim mitteleuropäischen Wetter. Mit einer Wahrscheinlichkeit von
immerhin knapp 90 Prozent tritt sie allerdings ungleich zuverlässiger in
Erscheinung als ihre meist nur dem Namen nach eisigen Vorgänger im
gerade zu Ende gegangenen Monat. Das gilt auch in diesem Jahr, nachdem
sich bereits in 2008 Mitte Juni eine unbeständige und kühle
Witterungsphase eingestellt hatte. Allerdings kommt die diesjährige
Episode - nimmt man es ganz genau - rund eine Woche zu früh.
Montag Mittag liegt Mitteleuropa im Einflussbereich eines umfangreichen
Höhentiefs, dessen ursprüngliches Zentrum über
Südpolen/Tschechien/Slowakei analysiert werden kann. Es stellt auch noch
immer das eigentliche Höhentiefzentrum dar, jedoch hat sich am Sonntag
ein zweiter Kern abgespalten und sich über den Alpen positioniert.
Westlich und nördlich schließt sich ein bananenförmig gebogener
Hochdruckrücken an, der sich von Marokko über Portugal und die
Britischen Inseln nach Südskandinavien erstreckt. Im Bodendruckfeld
dominiert ein Hoch mit Schwerpunkt etwas südlich von Island;
demgegenüber steht - gänzlich im Widerspruch zum klimatologischen Mittel
- ein kräftiges Azorentief. Im Umfeld der beiden Höhentiefs herrscht
eine flache Druckverteilung, wobei sich vorderseitig des schwächeren und
Richtung Korsika steuernden Zentrums über dem Tyrrhenischen Meer auch am
Boden ein Tief ausgebildet hat. Zwischen dem Hoch im Nordwesten und dem
tiefem Luftdruck im Südosten resultiert über Mitteleuropa eine
nordöstliche bis östliche Strömung, mit der um das osteuropäische
Höhentief herumgeführte Luft nach Deutschland fließt. Diese mäßig warme,
durch das östliche Mittel- sowie das Schwarze Meer aber auch mit
Feuchtigkeit angereicherte Luft machte sich am Wochenende in den neuen
Bundesländern mit Schauern und Gewittern bemerkbar. Am Montag breitet
sie sich über die Mitte Deutschlands nach Südwesten aus, allerdings wird
sie dort nur kurz wetterwirksam. Über dem Ostatlantik regeneriert sich
der Rücken in seinem Westteil, wodurch das Hoch bei Island zum Dienstag
und Mittwoch an seiner Südostflanke gestützt wird. Gleichzeitig fällt
auch im Bereich des langsam nordwärts gen Polen wandernden Höhentiefs -
dem nordöstlichen der beiden - allmählich der Druck. Damit dreht die
großräumige Strömung über Mitteleuropa auf Nord, womit die feuchtwarme
Luft am Dienstag zunächst nach Süddeutschland, am Mittwoch dann über die
Alpen abgedrängt wird.
Zum Mittwoch gliedern sich die beiden Höhentiefzentren einem von
Nordwesten vorstoßenden Langwellentrog an. Das gesamte Trogsystem nimmt
eine imposante Gestalt an und reicht vom Eismeer über ganz Skandinavien
und Osteuropa bis zum zentralen Mittelmeer und nach Libyen. Auf der
Vorderseite entsteht aus dem am Dienstag noch allmählichen Druckfall am
Mittwoch und Donnerstag rasch ein kräftiges Tiefdruckgebiet, welches
über das Baltikum nach Nordwestrussland zieht. Seine Kaltfront überquert
Deutschland noch am Mittwoch von Nord nach Süd. Dahinter wird der Weg
frei für die kälteste Luftmasse, die Mitteleuropa um diese Jahreszeit
erreichen kann und die auf direktem Wege aus dem Raum Spitzbergen nach
Süden strömt. In den Bergen Skandinaviens kehrt der Winter zurück, nach
derzeitigem Stand kann in der zweiten Wochenhälfte aber auch auf den
Gipfeln der ostdeutschen Mittelgebirge die ein oder andere Schneeflocke
gesichtet werden. Erst zum Wochenende gelangt in den Süden des Landes
voraussichtlich wieder etwas wärmere Luft.
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