Wettergefahren-Frühwarnung | Rückblick Juli 2010
Wettergefahren-Frühwarnung - Übersicht

Weitere Informationen: Wetterrekorde, Sturmstärken, Klimakarten usw.

Mittwoch, 4. August 2010, 20:00 MESZ


Rückblick Juli 2010


Grafiken:
Interpolierte mittlere Temperatur (links) und
Abweichung vom Mittel der Jahre 1961 bis 1990
(rechts) im Juli 2010 in Deutschland.
Quelle: Deutscher Wetterdienst (DWD)


Wetterlage und Entwicklung

Nach rund der Hälfte der Tage auf Rekordkurs, schloss der Juli 2010 in Deutschland mit einer flächengemittelten Temperatur von +20,2 °C zwar 3,3 K wärmer ab als im klimatologischen Mittel der Jahre 1961 bis 1990, landete am Ende aber hinter seinen Vorgängermonaten der Jahre 2006, 1994 und 1983 in der Temperaturhitliste nur auf dem vierten Platz. Dabei stand eine außergewöhnlich heiße erste Monatshälfte mit zahlreichen Dekaden- und einigen Monatsrekorden der Höchsttemperatur vor allem im Nordwesten und einem bundesweiten Spitzenwert von +38,8 °C am 10. in Bendorf eine mit kurzen warmen Einschüben garnierte, insgesamt jedoch deutlich kühlere letzte Dekade gegenüber. Die größten positiven Temperaturabweichungen traten im Nordosten auf (z. B. Lindenberg +22,7 °C/+4,8 K), moderater temperiert präsentierte sich der Süden und Südwesten (z. B. Lahr +21,3 °C/+1,7 K).
Nach einem trockenen Start, der besonders im Norden und Osten die Waldbrandgefahr erheblich steigen ließ, sorgten ab der Monatsmitte vermehrte Gewittergüsse und im Süden länger anhaltende Regenfälle für ein verbreitet ausgeglichenes, teilweise sogar übererfülltes Niederschlagssoll. Erheblich zu trocken verlief der Juli bis zum Ende nur in Teilen des Westens und im Nordosten, speziell in den Gebieten nordöstlich der Elbe (z. B. Putbus 8,7 mm/12%). Derweil kam etwa Bamberg auf 138,7 mm und damit auf mehr als die doppelte Menge (230%) des üblicherweise im Juli zu Erwartenden.
Ein deutliches Plus gegenüber dem langjährigen Mittel konnte im ganzen Land bei der Anzahl der Sonnenstunden verbucht werden. Vielfach schien die Sonne anderthalb mal so lang wie im Mittel des Zeitraumes 1961 bis 1990 (z. B. Bremen 293,2 Stunden/153%).

Mit einer Monatsmitteltemperatur von +21,5 °C schnitt der Juli 2010 in Rheinstetten wärmer ab als im Flächenmittel der Bundesrepublik. Gegenüber dem Mittel der Jahre 1961 bis 1990 bedeutete dies eine positive Abweichung von +2,4 K. Es fielen 84,8 mm Niederschlag, mehr als doppelt soviel wie im Juni und etwas mehr als normalerweise im Juli (110%). Die Sonne schien in der Summe 269,3 Stunden lang, was 113% des Klimamittels entspricht. Eine ausführlichere Betrachtung mit sämtlichen Tageswerten der Station gibt es hier.


01.07., 13:15 UTC, NOAA-19 VIS/IR
Quelle: B. J. Burton
Die erste ausgeprägte Hitzewelle des Sommers 2010 erlebte Mitteleuropa Ende Juni und Anfang Juli (siehe Artikel). Höchsttemperaturen von verbreitet um +30, auf ihrem Höhepunkt sogar über +35 °C setzten im Nordwesten Deutschlands örtlich neue Rekordmarken für die erste Dekade.
Zum 1. hatte sich ein für die Jahreszeit ungewöhnlich kräftiges, aber namenloses Tief über dem Nordatlantik südlich von Island platziert, auf dessen Vorderseite massive Warmluftadvektion die Aufwölbung eines mächtigen, von Südwesteuropa in gebogener Form über Frankreich, Benelux und die Nordsee bis nach Westgrönland reichenden Hochdruckrückens zur Folge hatte. Korrespondierend zu dem Rücken verlagerte sich am Boden eine meridional ausgerichtete Hochdruckzone ("Yaris") zum östlichen Mitteleuropa. Während der Norden Deutschlands noch mit den Wolkenfeldern der Kaltfront von Tief "Jutta" über dem Norden Skandinaviens zu tun hatte, die in die Warmfront des namenlosen Atlantiktiefs überging, schien im Süden des Landes verbreitet die Sonne. Hinter der Kaltfront gelangte vorübergehend etwas weniger warme Luft in den Norden (z. B. Cuxhaven +25,7 °C), nach Süden stiegen die Temperaturen auf Höchstwerte um +30 °C (z. B. Mannheim +31,5 °C).
Zum 2. und 3. erstreckte sich der Rücken über die zentralen Gebiete Europas bis nach Nordskandinavien, "Yaris" kam mit seinem Schwerpunkt über dem Baltikum zum Liegen. Auf seiner Rückseite stellte sich eine südwestliche Strömung ein, mit der die Erwärmung der unteren Troposphäre weitere Fortschritte machte. Über nahezu ganz Deutschland konnten im 850-hPa-Niveau, etwa 1.500 Metern Höhe entsprechend, Temperaturen über +15 °C analysiert werden. Dies schlug sich bei viel Sonnenschein auch auf die Maxima am Boden nieder, wo verbreitet mehr als +30, vor allem im Westen und Nordwesten über +35 °C gemessen werden konnten. Bremerhaven (+34,1 °C) und Osnabrück (+36,9 °C) verzeichneten neue Rekorde der Höchsttemperatur für den gesamten Monat Juli; an acht weiteren Stationen wurden Rekorde für das erste Julidrittel aufgestellt. Die höchste Temperatur im Messnetz des Deutschen Wetterdienstes (DWD) verbuchte das nordrhein-westfälische Rahden-Varl mit 37,1 °C für sich. Im Vorfeld der allmählich ostwärts vorankommenden Kaltfront des atlantischen Sturmtiefs entwickelten sich im Umfeld einer flachen Tiefdruckrinne bereits am Nachmittag und Abend des 3. in der Westhälfte kräftige Gewitter mit örtlich großen Regenmengen innerhalb kurzer Zeit (z. B. Bernkastel-Kues/RP 54 mm).

04.07., 12:00 UTC, Meteosat-8 VIS/IR
Quelle: F. Valk
In der Nacht zum und am Morgen des 4. war dann vor allem Baden-Württemberg von heftigen Gewittern betroffen (z. B. Vaihingen an der Enz 64 mm in zwei Stunden). Im Großraum Stuttgart und im Kreis Ludwigsburg wurden zahlreiche Straßen und Keller überschwemmt. Im Laufe des Tages überquerte die Kaltfront große Teile Deutschlands ostwärts und drängte die subtropische Heißluft ab. Höchsttemperaturen über +30 °C traten nur noch in Sachsen und Brandenburg sowie vereinzelt am Rhein auf. Allerdings entwickelten sich im Bereich der Front und des nachfolgenden Höhentroges vor allem im Süden nochmals zum Teil kräftige Gewitter (z. B. Coburg 54 mm in sechs Stunden).
Vorübergehender Geopotentialgewinn und schwacher Zwischenhocheinfluss sorgten am 5. für eine kurzzeitige Wetterberuhigung. Mit dem okkludierenden Frontensystem von Tief "Karin", das entlang der norwegischen Küste nordostwärts zog, griff jedoch zügig ein neuer Tiefausläufer auf den Nordwesten Deutschlands über. Ein unmittelbar nachfolgender, markant ausgeprägter Kurzwellentrog stellte zusätzliche Hebungsantriebe bereit, sodass verbreitet Schauer und einzelne Gewitter entstehen konnten. In der eingeflossenen kühleren Meeresluft fielen diese aber längst nicht mehr so heftig aus wie noch am Vortag im Süden.
Der Ausläufer von "Karin" passierte am 6. auch die übrigen Teile Deutschlands südostwärts. Dahinter strömte noch etwas kühlere - im Vergleich zum vorangegangenen Wochenende sogar recht kalte - Meeresluft ein. Lediglich am Rhein wurden noch sommerliche Temperaturen, an den Küsten nicht einmal mehr +20 °C erreicht. In der hochreichend kalten Luft bildeten sich im Norden und Osten noch einige Schauer, nach Süden und Westen hin brachte das aus einem Keil des Azorenhochs hervorgegangene Hoch "Zadok" meist heiteres bis sonniges Wetter.

08.07., 12:01 UTC, NOAA-19 VIS
Quelle: B. J. Burton
Unterdessen entwickelte sich über dem Nordatlantik das nächste kräftige Tief, "Leonore". Der Ablauf war fast identisch zu dem eine Woche zuvor; zunächst wölbte sich infolge beträchtlicher Warmluftadvektion ein Rücken über Westeuropa weit nach Norden auf. Dieser Rücken stützte das Bodenhoch "Zadok", das sich mit seinem Schwerpunkt langsam nach Südosteuropa verschob. Zu der Erwärmung durch großräumiges Absinken kam so eine advektive Erwärmung mit einer an der Westflanke des Hochs auf südwestliche Richtung drehenden Strömung. Entsprechend wurde es von Tag zu Tag wärmer; noch am 7. konnten nur am Thermometer in Bendorf am Rhein über +30 °C abgelesen werden, am 8. dagegen bereits in der gesamten Westhälfte Deutschlands. An diesem Tag versperrten lediglich im Norden ein paar Wolkenfelder der Warmfront von "Leonore" der Sonne den Weg, sonst schöpfte sie ihre astronomisch maximal mögliche Anzahl an Stunden aus.

Bodendruckanalysen | Quelle: FU Berlin / DWD
01.07.2010, 00 UTC 04.07.2010, 00 UTC 08.07.2010, 00 UTC
850-hPa-Geopotential und -Temperatur | Quelle: Wetterzentrale
01.07.2010, 00 UTC 04.07.2010, 00 UTC 08.07.2010, 00 UTC

Zum Ende der ersten Dekade erreichte die zweite Hitzewelle des Monats ihren vorläufigen Höhepunkt. Die herangeführte Luftmasse war dabei noch etwas heißer als eine Woche zuvor mit Temperaturen von mehr als +20 °C in 850 hPa über großen Gebieten der Bundesrepublik. Verbreitet wurden Temperaturen zwischen +30 und +35 °C gemessen, zum Teil auch mehr. Am 10. meldete Bendorf mit +38,8 °C den höchsten Wert dieser Hitzeepisode; einem Tag, an dem landesweit 26 neue Dekadenrekorde in die Datenbanken eingetragen werden konnten. Während sich "Leonore" zum Eismeer zurückzog und auffüllte, schwenkte der zugehörige Höhentrog allmählich nach Osten. Ein auf dessen Vorderseite über Nordwesteuropa nach Nordosten ablaufender Randtrog lieferte neben dem konfluenten Strömungsmuster einer sich bodennah formierenden Tiefdruckrinne einen großräumigen Hebungsantrieb, der maßgeblichen Anteil an einer sich in den Abendstunden über dem Westen Deutschlands ausbildenden Gewitterlinie hatte. Diese gingen in erster Linie mit kräftigem Regen und starken Böen einher, am Saarbrücker Flughafen wurden 104 km/h gemessen.
Hinter dem Randtrog respektive der Tiefdruckrinne gelangte zum 11. etwas weniger heiße Luft in die Westhälfte, sodass die extremen Temperaturen vom Vortag hier nicht mehr erreicht wurden. Diese traten mit bis zu +38,2 °C in Teilen Berlins und in Potsdam dann im Osten auf. Doch auch im Westen blieb es mit Werten um +33 °C hochsommerlich heiß.

12.07., 13:02 UTC, NOAA-19 VIS/IR
Quelle: B. J. Burton
Der einst mit "Leonore" in Verbindung stehende nordatlantische Langwellentrog wurde durch von Nordwesten einlaufende kurzwellige Anteile in Form und grobem Erscheinungsbild immer wieder regeneriert. Zum 12. näherte sich ein weiterer Kurzwellentrog zusammen mit Bodentief "Norina" Westeuropa an. Bereits am Morgen zog im Zusammenhang mit einem vorlaufenden Kurzwellentrog ein großer Gewitterkomplex von Frankreich her kommend über Benelux und den Nordwesten Deutschlands hinweg. An seiner Vorderkante bildete sich eine markante Linie aus, die verbreitet schwere Sturm- und örtlich Orkanböen hervorbrachte (z. B. Geilenkirchen 122 km/h). Dabei wurden mehrere Menschen verletzt, insbesondere in Nordrhein-Westfalen gab es zahlreiche Schäden. Ansonsten schien zunächst vielfach die Sonne; die Luft erwärmte sich erneut auf Temperaturen um +35 °C und mehr (z. B. Wusterwitz/BB +38,2 °C), was an einigen Stationen wiederum zu Rekorden - diesmal für die zweite Dekade - genügte. Wie so häufig formierte sich am Spätnachmittag und Abend unmittelbar vor der Kaltfront eine bodennahe Konvergenzzone, an der dann linienartig ausgeprägt zum Teil heftige Gewitter über der Mitte entstanden. An der Kaltfront selbst fiel im Südwesten meist nur noch skaliger Regen.
Postfrontal strömte kühlere Luft in den Westen und Nordwesten Deutschlands, nach Südosten hin konnte die sehr warme Luft dagegen kaum verdrängt werden. Höchsttemperaturen bis +31 °C wurden am 13. somit speziell in Bayern beobachtet, aber auch an den Küsten durfte der Tag zum Teil noch als Sommertag nach meteorologischer Definition mit einer Höchsttemperatur von +25 °C oder mehr durchgehen.
Den Abschluss dieses heißen und im Verlauf zunehmend gewittrigen Witterungsabschnittes (ausführliche Informationen in einem separaten Artikel) stellte der 14. dar. Verantwortlich zeichnete Tief "Olivia", das sich zu den Britischen Inseln bewegte und dessen Kaltfront in den Abendstunden von West nach Ost über Deutschland voranschritt. Zuvor wurde die südlich der Alpen lagernde, subtropisch heiße Luft erneut angezapft und nach Norden geführt. Abermals konnten landesweit Spitzenwerte über +30, im Südwesten bis +37 °C verzeichnet werden (z. B. Waghäusel-Kirrlach +37,1 °C). Der wesentliche Impuls zur Ausbildung einer in dieser Form selten zu beobachtenden, ohne Unterbrechung von den Niederlanden bis zur Schweiz reichenden Gewitterlinie ging wahrscheinlich von einem kurzwelligen Höhentrog aus, der losgelöst von dem zur Kaltfront korrespondierenden Anteil über den Westen Deutschlands hinwegschwenkte. Allerdings konnte zugleich auch eine seichte Tiefdruckrinne analysiert werden. Die Gewitterlinie sorgte verbreitet für Sturm-, örtlich auch für Orkanböen. Am Flughafen Niederrhein bei Weeze in Nordrhein-Westfalen wurden 120 km/h registriert, Lahr und Bad Hersfeld kamen auf 107 und 101 km/h. Im Westen Deutschlands waren zahlreiche Schäden zu beklagen.
Am 15. erstreckte sich die Kaltfront etwa entlang einer gedachten Linie von Sachsen zum Bodensee. Südöstlich davon blieb die sehr warme (z. B. Regensburg/BY +28,8 °C) und feuchte Luftmasse wetterbestimmend, nach Nordwesten hin war kühlere (z. B. Emden +22,9 °C) und trockenere Luft eingeflossen.

16.07., 12:00 UTC, Meteosat-8 VIS/IR
Quelle: F. Valk
Während die extreme Hitze allmählich in den Hintergrund rückte, prägten zur Mitte des Monats zunehmend heftige Gewitterereignisse das Wettergeschehen in Mitteleuropa. Eine weitere, insgesamt aber weniger markante Gewitterlage deutete sich für das Ende der 28. Kalenderwoche an; zuvor allerdings wurde auf der Vorderseite des über die Britischen Inseln nordwärts ziehenden Tiefs "Petra" zum 16. wieder Heißluft vor allem in die Osthälfte Deutschlands gepumpt. Ein Maximum von +35,5 °C notierte man in Cottbus, doch auch am Oberrhein wurde die +30-°C-Marke wieder überschritten (z. B. Lahr +32,0 °C). Im Detail betrachtet handelte es sich im Osten um die erst einen Tag zuvor abgedrängte und nun wieder zurückgeführte sehr warme Luftmasse, während auf den Nordwesten ein neuer Vorstoß ebenfalls warmer, aber trockenerer Luft abzielte. Im Umfeld der "alten" Luftmassengrenze entluden sich denn auch im Südosten die kräftigsten Gewitter, am Starnberger See in Oberbayern wurden Hagelkörner mit Größen bis 9 cm im Durchmesser beobachtet. Die Passage der Kaltfront von "Petra" ging mit weniger intensiven, aber dennoch teilweise kräftigen Gewittern einher. Im Nordwesten standen einige Keller, Garagen und Straßen unter Wasser.
Am 17. trat die sich an die Alpen anschmiegende Kaltfront mit länger andauernden, zum Teil auch nochmals gewittrigen Regenfällen in Erscheinung. Innerhalb der auf Mitteleuropa ausgerichteten Frontalzone schwenkte ein scharfer Höhentrog ostwärts, dessen Südteil einem Abtropfungsprozess unterworfen war. Das auf diese Weise entstandene Höhentief wanderte über Bayern und Österreich zur Adria; die Strömung in größeren Höhen wies auf dessen Vorderseite eine südliche Komponente auf, während bodennah die Luft aus Nord bis Nordwest gegen die Alpen geführt wurde. Diese Konstellation bewirkte ein Aufgleiten der warmen Luft auf die in den unteren Schichten eingeflossene kühlere Luft. Die anfangs noch mitwirkenden Gewitter brachten beispielsweise in Fürstenzell eine Niederschlagsmenge von 81 mm innerhalb von einer Stunde, auch sonst fielen unmittelbar am Alpenrand verbreitet zwischen 30 und 50 mm Regen binnen zwölf Stunden (siehe Artikel)
Das sich von Westen annähernde Hoch "Beowulf" im Zusammenspiel mit einem Rücken in der mittleren und oberen Troposphäre beruhigten zum 18. das Wetter weitgehend. Viele Wolken und etwas Regen gab es noch im Bereich des abziehenden Trogrestes im Osten und Südosten, sonst verschaffte sich die Sonne Platz. Die Temperaturen erreichten tagsüber meist Werte um +25 °C.

20.07., 12:00 UTC, Meteosat-8 VIS/IR
Quelle: F. Valk
Am 19. und 20. verlagerte sich "Beowulf" schwerpunktmäßig nach Nordpolen. Die zwischen ihm und Tief "Quendeline" bei den Britischen Inseln auf Südwest drehende Strömung advehierte erneut sehr, für Mitte Juli zunächst jedoch nicht mehr außergewöhnlich warme Luft nach Mitteleuropa. Höchsttemperaturen über +30 °C hatten verbreitet nur die Regionen entlang des Rheins zu bieten, sonst lagen die Werte meist zwischen +25 und +30 °C. Dazu war es überall sonnig und trocken.
Die Warmluftzufuhr intensivierte sich am 21. mit Annäherung von "Quendeline" und dem zugehörigen Höhentrog; in nahezu ganz Deutschland konnten an diesem Tag Temperaturen zwischen +30 und +35 °C gemessen werden (z. B. Rahden-Varl/NRW +35,5 °C). Am Nachmittag entstanden zuerst über den süddeutschen Mittelgebirgen einzelne Gewitter, die von Westen übergreifende Kaltfront des Tiefs brachte später verbreiteter schauerartige Regenfälle.

Bodendruckanalysen | Quelle: FU Berlin / DWD
12.07.2010, 00 UTC 16.07.2010, 00 UTC 20.07.2010, 00 UTC
850-hPa-Geopotential und -Temperatur | Quelle: Wetterzentrale
12.07.2010, 00 UTC 16.07.2010, 00 UTC 20.07.2010, 00 UTC

Unter Wellenbildung kam die Front nur zögernd ostwärts voran und verlief am 22. diagonal von Nordost nach Südwest über Deutschland hinweg. Nordwestlich von ihr war bereits deutlich kühlere Luft eingeflossen (z. B. Münster/Osnabrück Flgh. +21,7 °C), auch unter den dichten Wolken und im Regen im Umfeld der Front kamen die Werte nicht über +25 °C hinaus. Präfrontal hingegen erwärmte die Sonne die dort lagernde Warmluftmasse noch einmal auf Höchstwerte bis +33 °C (z. B. Regensburg +33,3 °C), ehe dort am Nachmittag heftige Gewitter entstanden. In Memmingen (Allgäu) fielen dabei innerhalb von einer Stunde 52 mm Regen, am Kochelsee im Alpenvorland gingen bis zu 7 cm große Hagelkörner nieder. Örtlich traten Sturmböen auf.
Zum 23. erzeugte Luftdruckfall im Bereich der Luftmassengrenze zwei neue Tiefdruckkerne über Tschechien und Norditalien, "Renate I" und "Renate II". Während sich das Wetter in der Nordwesthälfte Deutschlands häufig freundlich mit einzelnen Schauern und Gewittern gestaltete, fiel nach Südosten hin im Tagesverlauf wieder großflächiger und teilweise gewittriger Regen. Im Osten von Baden-Württemberg und im Westen Bayerns zählte man um 20 mm binnen sechs Stunden bis 20 Uhr MESZ, im Thüringer Wald örtlich bis 50 mm (Schmücke).

24.07., 12:38 UTC, NOAA-19 VIS/IR
Quelle: B. J. Burton
Am 24. verlagerte sich "Renate I" mit ihrem Zentrum über Polen nordwärts zur Ostsee. Dabei manifestierten sich zwei Niederschlagsschwerpunkte; einer im Osten Deutschlands auf der Westseite des Tiefs, gestützt durch um das Zentrum geführte Warmluft, ein anderer infolge großer Scherung mit bodennah nördlichen Winden und südlicher Anströmung in höheren Schichten auf der Vorderseite des Höhentroges im Süden Bayerns. Hier wirkte zusätzlich noch Stau an den Alpen. In Plauen (Sachsen) fielen schauerartig verstärkt 114 mm innerhalb von 24 Stunden bis 8 Uhr MESZ, im Allgäu örtlich nahe 100 mm. Unmittelbar an den Alpen summierten sich innerhalb von drei Tagen lokal um 200 mm (z. B. Obere Firstalm/Schlierseer Berge). An Isar und Donau wurde die Hochwassermeldestufe eins erreicht. Mehr dazu: Siehe Artikel.
Der vormals mit "Quendeline" in Verbindung stehende Höhentrog wurde durch von Nordwesten einlaufende kurzwellige Strukturen über Mitteleuropa ständig regeneriert und blieb während der ersten Hälfte der letzten Juliwoche wetterbestimmend. Nach einer kalten Nacht mit einstelligen Tiefstwerten vom Emsland bis zum Mittelgebirgsraum inklusive einem neuen Rekord für die letzte Julidekade (Oldenburg +7,8 °C) konnte sich am 25. schwacher Zwischenhocheinfluss vor allem in einem Streifen längs über der Mitte Deutschlands behaupten, im Osten sowie im Westen war der Himmel stark bewölkt. Von Nordwesten her hatte sich überall kühle Meeresluft durchgesetzt, die Sommermarke von +25 °C wurde nirgendwo erreicht.
Im Laufe des 26. zog ein kleines, mit kalter Luft angefülltes Höhentief von der Nordsee zu den Alpen. Da sich die untere Troposphäre gegenüber dem Vortag wieder leicht erwärmte, mündete dieser Vorgang in einer Labilisierung der vertikalen Schichtung und in zahlreichen Schauern und Gewittern, trocken und häufig sonnig blieb es im Nordosten.
Rückseitig des weiter südostwärts wandernden Höhentiefs stieg das Geopotential am 27. über Mitteleuropa an, von den Britischen Inseln her näherte sich ein in die nordwestliche Höhenströmung eingebetteter Rücken. Auch am Boden machte sich steigender Luftdruck in Form eines weit nach Osten vorgeschobenen Keils des Azorenhochs bemerkbar. Wirklich freundliches Wetter wollte sich dennoch aber nur zögernd durchsetzen; im Süden gab es teilweise sogar noch etwas Regen, in Bayern auch am Nachmittag noch kräftige Schauer (z. B. München-Stadt 25 mm in sechs Stunden bis 20 Uhr MESZ). Am Morgen brachten immer wieder quasi an Ort und Stelle entstehende Schauer und Gewitter am östlichen Bodensee lokal begrenzt um 100 mm Regen (z. B. Sigmarszell-Zeisertsweiler/BY 106 mm innerhalb weniger Stunden). In Vorarlberg kam es zu Überschwemmungen und Murenabgängen. Als Erklärung dieses Phänomens dienen wohl zum einen das relativ warme Wasser des Bodensees, über dem die mit einer westnordwestlichen Strömung herangeführte, vergleichsweise kühle Luft sich mit Feuchtigkeit anreichern konnte. Daneben wirkten sich mit großer Wahrscheinlichkeit aber auch Staueffekte günstig aus für hohe Niederschlagssummen.

28.07., 12:00 UTC, Meteosat-8 VIS/IR
Quelle: F. Valk
31.07., 13:06 UTC, NOAA-19 VIS/IR
Quelle: B. J. Burton
Der Rücken bewegte sich am 28. über das Bundesgebiet hinweg südostwärts und flachte dabei ab. Ihm folgte rasch ein neuer Höhentrog und diesem vorgelagert das Frontensystem von Tief "Silke" nach, das bereits in der Nacht den Westen Deutschlands mit Regen erreichte und sich allmählich nach Südosten voranarbeitete. Dahinter lockerte die Wolkendecke auf, am Abend und auch in der Nacht zum 29. entwickelten sich jedoch unter dem Einfluss eines heranschwenkenden Höhentroges in der Mitte und im Süden Schauer und Gewitter. Aus dem Höhentrog ging ein eigenständiges und umfangreiches Höhentief hervor, das sich mit seinem Zentrum über Norddeutschland positionierte. Die höhenkalte Luft an seiner Südflanke (bis unter -20 °C in 500 hPa - ca. 5.500 Meter Höhe - über dem Südwesten) kurbelte im Tagesverlauf die Schauer- und Gewitteraktivität an, wobei zum Teil große Mengen zusammenkamen (z. B. Rheinstetten 28 mm in 24 Stunden bis zum Folgetag, 8 Uhr MESZ).
Am 30. spaltete sich das Höhentief in einen nördlichen und einen südlichen Teil auf und wurde somit bildlich in die Länge gezogen. Zwar dort verbreitet auftretende, längst aber nicht mehr so intensiv wie am Vortag ausfallende Schauer beschränkten sich auf die Südhälfte Deutschlands; an der Ostsee regnete es im Umfeld von Tief "Tina" das zuvor über Osteuropa nordwärts gezogen war, etwas.
Hoch "Damian" sorgte am 31. für einen vielfach sonnigen und warmen Juliausklang. Doch schon am Abend fiel im Nordwesten im Vorfeld von Tief "Uschi" und seinem sich annähernden Frontensystem wieder etwas Regen.

Bodendruckanalysen | Quelle: FU Berlin / DWD
24.07.2010, 00 UTC 28.07.2010, 00 UTC 31.07.2010, 00 UTC
850-hPa-Geopotential und -Temperatur | Quelle: Wetterzentrale
24.07.2010, 00 UTC 28.07.2010, 00 UTC 31.07.2010, 00 UTC


Monatswerte

Nachstehend Monatswerte vom Juli 2010 für ausgewählte Stationen in Deutschland. "Temp." steht dabei für die Monatsmitteltemperatur, "Nds." für die Niederschlagssumme und "Sonne" für die Sonnenscheindauer. "Vgl." gibt für die jeweilige Größe den Vergleich mit dem Mittelwert der Jahre 1961 bis 1990 des Ortes an (Quelle: DWD):

Ort Temp. Vgl. Nds. Vgl. Sonne Vgl.
Rostock
Kempten
Rheinstetten
+21,3 °C
+18,7 °C
+21,5 °C
+4,5 K
+2,6 K
+2,4 K
11,5 mm
211,3 mm
84,8 mm
16%
150%
110%
324,3 h
249,8 h
269,3 h
139%
112%
113%


Text und Gestaltung: CE


In Zusammenarbeit mit:
Lacunosa Wetterberatung