Wettergefahren-Frühwarnung | Sturm- und Orkanböen, Stauniederschläge - Europa - 20.10.-30.10.2018
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Freitag, 23. Oktober 2018, 22:30 MEZ


Artic Outbreak
Stauniederschläge

Europa

20.10.-30.10.2018


Saharastaub auf dem Mittelmeer
am 29. Oktober 2018
Quelle: Sat24


Mitte und Ende Oktober sowie Anfang November ereigneten sich mehrere heftige Niederschläge im Mittelmeerraum. Betroffen waren vor allem Spanien, Italien und der Balkan. Grund dafür war ein weit nach Süden reichender Trog. Während Deutschland und Mitteleuropa unter der langanhaltende Trockenheit leiden, kommt es in anderen Regionen Europas, wie z.B. am 23.10. in Spanien und auch in Italien zu zerstörerischen Überschwemmungen durch langanhaltende Niederschläge.


Stauniederschläge im Mittelmeerraum

Ein Höhentief bzw. Kaltlufttropfen sorgte Ende Oktober erneut für heftige Stauniederschläge auf der Alpensüdseite. Dieses formierte sich am Samstag den 20.10.2018 an der Trogspitze über Osteuropa. Gleichzeitig drückte ein Höhenkeil über Deutschland in Richtung Nordosten, wodurch der Abtropfprozess verstärkt wurde. Der Kaltlufttropfen verlagert sich rückseitig des Troges bzw. vorderseitig des Rückens nach Südwesten zunächst entlang der Alpen. Dadurch kommt es zu heftigen Stauniederschlägen und Gewittern. Auf der Südseite des Tiefs wird feuchte und warme Luft advehiert, was die CAPE-Werte steigen lässt und somit das Gewitterrisiko steigt. Im Tagesverlauf des 22.10.2018 verlagert sich der Kaltlufttropfen weiter nach Südwesten über die Mitte Italiens und bringt auch dort Niederschläge in Form von Schauern und Gewittern. Auch enorme Hagelmengen sind dabei, wie z.B. in Rom. Gegen Abend bzw. Nacht erreicht er Sizilien und ist vollständig abgetropft und schlug einen südöstlichen Kurs ein. Am Abend des 23.10.2018 befindet sich Sizilien nicht mehr im Einflussbereich und der Kaltlufttropfen verlagert sich weiter nach Südosten in Richtung der nordöstlichen Küste Afrikas.

Nur wenige Tage später, am26. bis 28.10.18, ereignete sich ein ähnliches Schauspiel. Ein sogenannter Artic Outbreak generiert erneut ein Höhentief, was nicht nur einstellige Temperaturen brachte, sondern dem Mittelmeerraum verheerende Niederschläge. Unter diesen Niederschlägen gab es auch enorme Neuschneemengen.
Im Tagesverlauf des 26. und 27.10.2018 formierte sich ein Trog, der sich extrem weit nach Süden erstreckte. Die Trogspitze reichte am 28.10.2018 über Spanien bis nach Afrika! Dadurch sanken nicht nur in Mitteleuropa die Temperaturen bis in den einstelligen Bereich, sondern auch in Südwesteuropa. Im Bergland dieser Gebiete sanken die Temperaturen sogar unter die Nullgradgrenze. Vorderseitig dieses Troges generierte sich eine Kaltfront, die sich von den Alpen über Frankreich bis nach Spanien und Portugal (später auch über die Nordwestküste Afrikas) erstreckte. Teilweise war jene Kaltfront jedoch stationär bzw. begann sich retrograd zu verlagern. Dadurch generierten sich am 28.10.2018 südwestlich der Alpen und über dem Mittelmeer mehrere Tiefdruckgebiete. Eines davon entwickelte sich am späten Abend des 28.10.2018 südlich von Mallorca. Es erhielt den Namen VAIA. Das Zentrum zog im Laufe des 29.10.2018 westlich an Mallorca vorbei nach Norden Richtung Südfrankreich. Zur selben Zeit lies eine nahezu stationäres Front über dem Südwesten Spaniens enorme Niederschlagsmengen frei.

Sturmtief VAIA, Scirocco und erneut Stauniederschläge

Tief VAIA verstärkte sich bis Montagabend den 29.10. schnell, aufgrund der günstigen Lage in einem schwachen Jetstreamast. Sie befand sich im Bereich positiver Divergenz und vorderseitig des Troges. VAIA entwickelte sich schließlich zu einem Sturmtief. In Deutschland machten sich die stürmischen bis orkanartigen Böen am späten Montagabend und in der Nacht zum Dienstag vor allem im Westen und Südwesten bemerkbar. Die stärksten Böen wurden im Saarland und Rheinland-Pfalz gemessen. VAIA zog im Verlauf des 30.10. rasch nach Norden über die Beneluxstaaten über die Nordsee. Undgewöhnlich an VAIA war vor allem die Zugbahn. Sie bewegte sich von Süd nach Nord und nicht wie häufig von Nordwesten/ Westen nach Osten. Aber nicht nur die Zugbahn war untypisch, sondern auch die Temperaturverteilung. Aus dem Südwesten wurde kalte Luft advehiert, die aus dem Trog stammt. Auf der östlichen Seite des wurde hingegen milde Luft aus dem Raum Italien/Balkan angesaugt und um das Tief herumgeführt. Davon profitierte vor allem der Osten und Südosten Deutschlands. Dort wurden teils zweistellige Temperaturen um die 11°C gemessen wohingegen im übrigen Land nur einstellige Temperaturen gemessen wurden. Durch VAIA ergab sich am Dienstag außerdem ein inverser Temperaturgang. Es wurde in den Abendstunden nicht kälter, sondern durch die Warmluftadvektion wärmer. Neben ungewöhnlichen Temperaturgängen und Sturmböen brachte VAIA außerdem Niederschläge in Form von Regen und in höheren Lagen Schnee mit sich. Die Schneefallgrenze fiel in der Nacht unter 500m und brachte regionale z.B. auf der schwäbischen Alp knapp 20cm Neuschnee (19cm Klippeneck). Durch Föhneffekte am Alpenrand wurden in den folgenden Tagen jedoch wieder milde Temperaturen verzeichnet, weshalb der Schnee nur kurzzeitig liegen blieb. Sturmböen gab es auch am Dienstagabend im Osten Deutschlands durch den starken Druckgradient zwischen Tief VAIA und Hoch YOGI.

Im selben Zeitraum (26. bis 30.10.) gab es durch die starken Süd- und Südwestwinde Stauniederschläge an der Südseite der Alpen. Auch hier wurde sehr warme und feuchte Luft advehiert, sodass die CAPE-Werte anstiegen und es teils zu schweren Gewittern u.a. mit Hagel kam. Auch ein Blick auf die Karten der Schichtdickenadvektion und Vorticityadvektion verrät die starken Niederschläge. Betroffen davon waren vor allem die Mitte und der Norden Italiens. Auch am Balkan entstanden Stauniederschläge. Es bildete sich im Laufe des 29.10. eine Gewitterlinie über der tyrrhenischen See aus. Durch die starke Warmluftadvektion wurden in Italien und Südosteuropa nochmal sommerliche Temperaturen über 20°C erreicht. Durch den starken Druckgradienten durch Tief VAIA (als sie sich noch auf der tyrrhenischen See befand) bildete sich am 29.10. der Scirocco-Wind, der über Italien und den Balkan fegte und Saharastaub mit sich führte, welcher sehr gut auf den Satellitenbildern zu erkennen war. Über Afrika blieb der Scirocco trocken, tanke über dem Mittelmeer jedoch Feuchtigkeit, wodurch die Stauniederschläge verstärkt wurden. Der Trog zog sich erst Anfang November aus Südwest- und Mitteleuropa zurück in Richtung Norden. Mitteleuropa wurde dann erneut von Hochdruck beherrscht und die dringend nötigen Niederschläge blieben aus. In den Mittelmeerregionen kam es jedoch erneut zu heftigen Stauniederschlägen.

Bodendruck Europa und Mitteleuropa, 500-hPa-Geopotential mit Bodendruck, 850 hPa Temperatur, Schichtdickenadvektion, Vorticityadvektion, Temperaturadvektion, CAPE | Quellen: Wetter3, DWD

Temperatur in 2m Höhe (Deutschland), 850 hPa Temperatur u. Geopotential (Deutschland), Neuschnee (Quelle: Christian Latt) | Quellen: Wetter3, DWD



Englische Version


Text: MG
23. November 2018