Samstag, 22. August 2015, 14:50 MESZ Starkregen/Gewitter Mitteleuropa 15.08.-19.08.2015 Satellitenbild, Tief "Florian", 18.08.2015, 13:00 MESZ Quelle: Sat24 |
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Nach den beiden Rekordhitzewellen im Juli und August 2015, bei denen neue Allzeitrekorde wie in Kitzingen mit 40,3 °C am 05.07. und 07.08.2015 aufgestellt wurde, ging der Hochsommer allmählich zu Ende. Zwischen dem Azorenhochkeil über Frankreich und Hoch "Isabel" über Skandinavien stellte sich starker, zum Teil gewittrig durchsetzter Dauerregen an der stationären Front von Tief "Florian" ein und ließ über Norddeutschland in 72-96 Stunden enorme Regenmengen von lokal deutlich über 100 mm zusammenkommen, welche schwere Überflutungen und Schlammlawinen auslösten. Der Schaden geht zum Teil in die Millionen.
Ausbildung einer stationären Luftmassengrenze Anders als bei den während der Rekordhitze wetterbestimmenden Hochdruckgebiete wie "Annelie" und "Finchen", nahmen die Hochs "Gwendolin" am 8. und "Hildegard" am 12. August eine nordwestlichere Zugbahn von Großbritannien nach Skandinavien. Ab dem 13. August nistete sich über Westeuropa ein zeitweise von Island bis Spanien reichender Höhentrog mit negativ geneigter Trogachse ein, der an den Folgetagen nur langsam nordostwärts vorankam und sich später abschnürte. Die Gegenbewegung folgte östlich davon mit dem Aufbau eines kräftigen Höhenrückens, der am 17.08. sogar bis nach Spitzbergen reichte. In Bodennähe verlagerte sich der Kern des neuen Hochs "Isabel" von Spitzbergen über die Barentssee und das Weiße Meer nach Südfinnland und Estland. In der resultierenden südöstlichen Strömung über Mitteleuropa gelangte zum 13. August nochmals ein Schwall sehr warmer Luft nach Deutschland mit Höchsttemperaturen über 37 °C, über Frankreich floss dagegen rückseitig des Tiefs "Eberhard" bereits kühle Meeresluft aus Nordwesten ein. Es bildete sich eine Luftmassengrenze aus, die sich bis zum 16. August langsam nordostwärts vorarbeitete und die heiße Luftmasse schrittweise aus Mitteleuropa verdrängte. Durch die blockierende Wirkung des Hochs "Isabel" und die Entstehung des neuen Tiefs "Florian" am Frontensystem von "Eberhard" verlagerte sich die Luftmassengrenze allerdings nur noch langsam. Der Temperaturkontrast nahm weiter zu (am 15.08. zwischen Saarbrücken-Ensheim mit 19,2 °C und Bad Muskau 32,8 °C), es entstanden starke Niederschläge, verstärkt durch Randtiefs von "Florian". Auf der warmen Seite der quasi-stationären Front bildeten sich in schwülwarmer Luft kräftige Gewitter, die die Regensummen lokal noch deutlich höher ausfallen ließen.
Verlauf der Starkregenlage In der Nacht auf den 16.08. breitete sich mit dem Frontensystem von Tief "Florian" schauerartig verstärkter Starkregen von Baden-Württemberg und Bayern nach Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen aus, die dort längere Zeit anhielten. Im Osten Deutschlands entstanden zudem weitere Gewitter, die westwärts zogen. Bei Eichsfeld in Nordthüringen wurden 24 Ortschaften von Wassermassen überflutet. In Rustenfelde entstand ein Millionenschaden, ein Feuerwehrmann kam ums Leben. Die über ein Meter hohe Flut spülte Fahrzeuge gegen Wände der Häuser, in denen das Wasser zum Teil sogar zwei Meter hoch stand. Zudem wird dort von einer Hangrutschung und Beschädigung von Öltanks durch das Hochwasser berichtet. Weiter westlich waren die Landkreise Osnabrück und Göttingen besonders vom starken, konvektiven Dauerregen betroffen (Regensummen um 100 mm/24 h). Dort wurden mit Sandsäcken Dämme gegen die ansteigenden Flusspegel (z.B. Weser und Leine) aufgebaut und Wasser von übergelaufenen Gullydeckeln abgepumpt. Die Fluten hinterließen Schlammschichten und mitgespülte Gegenstände. In Groß Schneen bei Friedland (Lkr. Göttingen) wurden rund 200 Flüchtlinge aus der unter Wasser stehenden Notunterkunft evakuiert. In der Gemeinde wird sogar von den größten Überschwemmungen seit Menschengedenken gesprochen. Am 17.08. folgten mit einem Randtief weitere starke Regenfälle von Bayern her, die rasch auf die nördlichen Mittelgebirge bis zum Emsland übergriffen. Am 18.08. konzentrierte sich der Starkregen auf die Gebiete vom Erzgebirge bis zur Nordsee. Erst ab dem Morgen des 19.08. wurde das Starkregenband durch die abnehmenden Luftmassengegensätze immer schmaler und schwächer.
Text: FB 22. August 2015 |