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Donnerstag, 12. Januar 2012, 00:45 MEZ


Starkschneefall

Nord- und Zentralalpen
05.-09.01.2012


Nach den starken Schneefällen aus
dem Bergdorf Ulrichen (1346 m) im
Obergoms im Schweizer Kanton Wallis.
Die Gesamtschneehöhe wuchs auf bis
zu 255 cm.
Quelle: Schweizer Fernsehen

Ausgehend von Sturmtief "Andrea" (siehe Artikel) gingen Anfang Januar 2012 starke und über mehrere Tage anhaltende Schneefälle im nördlichen und zentralen Alpenraum nieder. In der Schweiz erhielten besonders Nord- und Mittelbünden, die Zentralschweiz, das Oberwallis und Teile des Berner Oberlandes massive Neuschneezuwächse. In Österreich gab es in den Bundesländern Tirol, Salzburg und vor allem in Vorarlberg außergewöhnlich ergiebige Schneefälle. Aufgrund zahlreicher Straßensperrungen durch Schneebruch, akuter Lawinengefahr oder zu großen Schneemassen waren bis zu 40.000 Menschen von der Außenwelt abgeschnitten. Umstürzende Bäume kappten Überlandleitungen, Tausende Haushalte waren ohne Strom.


Wetterlage und Entwicklung

Nach einem schneearmen Start in den meteorologischen Winter 2011/2012 stellten sich bereits im Dezember des letzten Jahres vor Weihnachten kräftige Schneefälle in den Nord- und in den Zentralalpen ein (siehe Artikel). Schon damals konnten in den Staulagen bis zu 2 Meter Neuschnee verbucht werden, z.B. auf der Zugspitze im Wettersteingebirge. Zu Beginn des neuen Jahres gingen erneut anhaltende und ergiebige Schneefälle in den nördlichen und zentralen Alpen nieder. Verantwortlich dafür zeigte sich im nordhemisphärischen Strömungsmuster an der Polarfront eine für starke Schneefälle günstig angeordnete Trog-Rücken-Struktur. Über dem Ostatlantik und den Britischen Inseln bildete sich ein quasistationärer Höhenrücken aus, der durch Tiefdruckgebiete auf dem Atlantik stets neu regeneriert und erhalten wurde. Als Pendant dazu formierte sich über dem östlichen Mitteleuropa sowie über Ost- und Südosteuropa ein mächtiger Höhentrog. Im Übergangsbereich beider Gebilde konnte über dem Alpenraum eine kräftige nordwestliche bis nördliche Höhenströmung beobachtet werden. Das korrespondierende Bodendruckfeld leitete zwischen einem umfangreichen Hoch über dem Ostatlantik und Tiefdruckaktivität im Ostseeraum anhaltende Nordwest- und Nordwinde ein. Die überwiegend West-Ost ausgerichteten Alpen fungierten somit als natürliche Barriere, die von den anströmenden Luftmassen überwunden werden musste.

Am 05.01. zog Sturmtief "Andrea" über Mitteleuropa hinweg. Zum Abend erreichte dessen Kaltfront mit Graupelgewittern und ersten kräftigen Schneefällen den Nordalpenrand und überquerte anschließend das Gebirge südostwärts. Örtlich fiel in den Staulagen der Alpen in Verbindung mit den konvektiven Niederschlägen alleine innerhalb nur 1 Stunde über 20 cm Neuschnee. Die danach einfließende maritime und subpolare Luftmasse beendete das vorübergehende Tauwetter und die Schneefallgrenze sank von über 1500 Meter bis auf 500 Meter. Nach der Kaltfront hielt in den folgenden Tagen mit nur kurzen Unterbrechungen der Nachschub an feuchter und relativ kalter Meeresluft aus Nordwesten und Norden an. Während des 07.01. sorgte Tief "Bibiana" mit seinem Frontensystem für weiteren Neuschnee. Zwei Tage später entwickelten sich durch erneute Hebungsprozesse im Vorfeld der Warmfront von Tief "Celine" wieder verbreitete Schneefälle. Bei Temperaturen, die sich im 850-hPa-Niveau - etwa 1500 Höhenmeter entsprechend - zwischen -2 °C und -6 °C bewegten, kamen in den Nord- und Zentralalpen oberhalb von 500 bis 800 Metern regional außergewöhnlich ergiebige Schneemengen zusammen.

500-hPa-Geopotential und Bodendruck vom 06. bis 09.01.2012 | Quelle: wetter3.de
06.01.2012, 00 UTC 07.01.2012, 00 UTC 08.01.2012, 00 UTC 09.01.2012, 00 UTC
Bodendruckanalysen vom 06. bis 09.01.2012 | Quelle: FU Berlin / DWD
06.01.2012, 00 UTC 07.01.2012, 00 UTC 08.01.2012, 00 UTC 09.01.2012, 00 UTC

In den Bodendruckkarten erfassten rückseitig der Tiefdruckgebiete wiederholt Nordwest- und Nordwinde Mitteleuropa und den Alpenraum. Auf der windzugewandten Seite des Alpenbogens (Luvseite) bildete sich infolge der Kaltluftadvektion und der nördlichen Anströmung ein Luvkeil aus, südlich der Alpen (Leeseite) manifestierte sich ein Leetrog. Diese über mehrere Tage anhaltende Druckkonstellation, verbunden mit der Heranführung feuchtkalter Meeresluft, ist ein eindeutiger Hinweis auf massive Schneefälle auf der Nordseite der Alpen. Südlich des Alpenhauptkamms ließ die Niederschlagsaktivität mit nur leichten Schneefällen rasch nach oder es blieb trocken mit Auflockerungen und Sonnenschein.

Satellitenbilder (MSG-VIS) vom 06. bis 09.01.2012 | Quelle: F. Valk / Eumetsat
06.01.2012, 12 UTC 07.01.2012, 12 UTC 08.01.2012, 12 UTC 09.01.2012, 12 UTC

Die Schneefälle gingen aufgrund der zuweilen starken Höhenströmung vor allem im Hochgebirge mit kräftigem Wind einher. In etwa 9 Kilometer Höhe erreichte der Jetstream über Mitteleuropa Windgeschwindigkeiten von mehr als 120 kn (223 km/h). Auf den Alpengipfeln bließ zeitweise Sturm mit Orkanböen. So wurde auf dem Chasseral (1599 m) in der Schweiz am 07.01. eine Spitzenböe von 128 km/h registriert, auf dem Jungfraujoch (CH, 3576 m) waren es 124 km/h, auf dem Weißfluhjoch (CH, 2667 m) noch 119 km/h. Auch in Österreich wehte starker Wind, so auf dem Feuerkogel (1621 m) mit einer 119 km/h-Böe oder auf dem Sonnblick (3111 m) mit 115 km/h. In freien Lagen wurde der frisch gefallene Schnee stark verblasen und zu hohen Schneewächten aufgetürmt. Verbunden mit den großen Neuschneemengen stieg die Lawinengefahr in Teilen Österreichs und in der Schweiz auf die zweithöchste Lawinenwarnstufe vier. Nach den Schneefällen stellte sich die kritischste Lawinensituation seit dem Februar 1999 ein. Damals betroffen von zahlreichen, schadenbringenden Lawinenabgängen war vor allem das Paznauntal mit dem Ort Galtür im Westen Tirols.

Obwohl Mitte Januar zumindest vorübergehend Wetterberuhigung im Alpenraum einsetzt, gilt es dem weiteren Verlauf der Schnee- und Lawinensituation bis Ende des Winters 2011/2012 erhöhte Aufmerksamkeit zu schenken. Hinzu sind erst im Februar nach statistischem Mittel am häufigsten Nordlagen zu erwarten, die weiteren massiven Schneenachschub bringen können. Schon jetzt liegt in den Alpen so viel Schnee wie seit Jahren nicht mehr, was auch im Hinblick auf eventuelle Frühjahrshochwasser (z.B. an Rhein oder Donau) erwähnenswert erscheint.



Niederschläge, Schneehöhen und Auswirkungen

Vor allem in den Nordwest- und Nordstaulagen kamen innerhalb von 4 Tagen zu der schon vorhandenen Schneedecke immense Neuschneemengen hinzu. In prädestinierten Lagen konnten, örtlich mehrfach, Tagesniederschlagssummen über 100 mm aufgezeichnet werden, die besonders vom 05. auf den 06. und am 08. Januar akkumuliert als etwa 1,5 bis örtlich an die 3 Meter Neuschnee niedergingen. In der Schweiz stellten sich die kräftigsten Schneefälle in Nord- und Mittelbünden, in der Zentralschweiz, im Oberwallis und in Teilen des Berner Oberlandes ein. In Österreich gab es in den Lechtaler und Ötztaler Alpen sowie im Silvretta, im Karwendel, im Pinzgau und vor allem am Arlberg außergewöhnlich ergiebige Schneefälle. Aber auch in Frankreich konnten in den Savoyer Alpen und ebenso im äußersten Süden Deutschlands in den Allgäuer Alpen, im Wettersteingebirge und im Berchtesgadener Land große Neuschneezuwächse beobachtet werden. Analysekarten von der Region Vorarlberg zeigen tägliche Neuschneesummen in Westösterreich. Rund um den Arlberg fiel mehrfach innert 24 Stunden über 1 Meter Neuschnee. Auf der Valluga, mit 2809 Metern die höchste Erhebung im Arlberggebiet, wurde am Morgen des 10.01. eine Gesamtschneehöhe von 590 cm ermittelt. An der Ulmerhütte, auf 2205 Metern auch am Arlberg gelegen, erreichte die Schneehöhe 413 cm. In den gesamten Nord- und Zentralalpen warteten viele Messstationen mit Schneehöhen jenseits der 2- oder gar 3-Meter-Marke auf. Annähernd doppelt so viel Schnee wie zu der Jahreszeit üblich lag nach den Niederschlägen mancherorts in der Schweiz (siehe Grafik). Es sei zusätzlich darauf hingewiesen, dass Schneehöhenmessungen, gerade in Verbindung mit starkem Wind, durch Verwehungen und Ausblasen sehr schwierig und daher in exponierten Lagen nur als gute Näherung einzuschätzen sind.

24-h-Neuschneesummen in Vorarlberg (Westösterreich) vom 06. bis 09.01.2012 | Quelle: ZAMG
Bis 06.01., 06 UTC Bis 07.01., 06 UTC Bis 08.01., 06 UTC Bis 09.01., 06 UTC
Schneehöhen in der Schweiz (absolut in cm bzw. in Prozent zum langjährigen Mittel) | Quelle: SLF
Abs. Schneehöhe, 9.1., 07 UTC Rel. Schneehöhe, 9.1., 07 UTC Bünden, 10.1., 14 UTC Zentralschweiz, 10.1., 14 UTC
Schneehöhen [cm] in Tirol und Umgebung sowie im gesamten zentralen Alpenraum | Quellen: LWD-Tirol, DWD JavaMAP
Tirol, 10.01., 13 UTC Alpen, 08.01., 06 UTC Alpen, 09.01., 06 UTC Alpen, 10.01., 06 UTC

Im schweizer Bergdorf Ulrichen, auf 1346 Seehöhe im Obergoms gelegen, wurde nach dem Ereignis eine Gesamtschneehöhe von 255 cm gemessen; ein neuer Rekord für den Monat Januar. Seit Aufzeichnungsbeginn lag dort im Januar noch nie so viel Schnee. Im Kanton Graubünden konnte im 1179 Meter ü. NN situierten Klosters eine Schneehöhe von 170 cm beobachtet werden, was für die erste Januarhälfte ein neuer Rekord seit Messbeginn im Jahre 1946 darstellt. Das im österreichischen Paznauntal angesiedelte Galtür verfehlte mit einer Schneehöhe von 190 cm nur um 5 cm den Monatsrekord aus dem Jahr 1951 (siehe auch linke Tabelle). Vielerorts schneite es so viel wie schon lange nicht mehr. In der rechten Tabelle aufgelistet sind die größten 96-h-Neuschneesummen in Österreich. In Hochfilzen nahe Kitzbühel wurde seit Messbeginn im Jahr 2001 noch nie ein solch hoher Schneezuwachs verzeichnet. Auch das im Vinschgau und am Reschenpass gelegene Nauders erlebte nur zwei Mal zuvor solch ergiebige Schneefälle, zuletzt im Jahr 1951.

Ort 1/2012 Rekord Jan. Jahr
Langen/Arlberg (A, 1260 m)
Schröcken (A, 1263 m)
Galtür (A, 1648 m)
Nauders (A, 1340 m)

Ulrichen (CH, 1346 m)
Andermatt (CH, 1447 m)
Davos (CH, 1560 m)
Arosa (CH, 1775 m)
Samedan (CH, 1721 m)
216 cm
210 cm
190 cm
120 cm

255 cm
167 cm
152 cm
148 cm
118 cm
330 cm
300 cm
195 cm
156 cm

255 cm
225 cm
216 cm
260 cm
131 cm
1968
1968
1951
1920

2012
1982
1951
1951
1980
Ort Neu/96 h
Hochfilzen (A, 1000 m)
Langen/Arlberg (A, 1260 m)
Schröcken (A, 1263 m)
Holzgau (A, 1100 m)
Nauders (A, 1340 m)
St. Anton/Arlberg (A, 1285 m)
Landeck (A, 890 m)
216 cm
177 cm
168 cm
122 cm
120 cm
104 cm
72 cm

Quellen: Meteoschweiz, ZAMG

Die verbreiteten und außergewöhnlich intensiven Schneefälle sorgten in vielen Regionen für Probleme und Behinderungen im öffentlichen Verkehr. Durch die hohe Lawinengefahr oder Schneebruch mussten zahlreiche Straßen und Bahnlinien gesperrt werden. In Vorarlberg waren die Orte Lech, Zürs, Stuben, Klösterle, Schröcken und Warth mehrere Tage von der Außenwelt abgeschnitten. Vorübergehend war das ganze Bundesland weder per Auto noch per Bahn zu erreichen. Auch Gargellen im Montafon und die in Tirol befindlichen Skiorte Ischgl und Galtür waren tagelang nicht erreichbar. Die Fahrt ins Zillertal, nach Samnaun und ins Kühtai blieb verwehrt. Im Pinzgau durften fünf wichtige Verbindungsstraßen mehrtägig nicht benutzt werden. Nach dem heftigen Schneefallereignis wurden weitere neun Passstraßen gesperrt, darunter der Arlberg und der Reschenpass. Zwei Tage lang war eine Wintersportlergruppe auf einer Hütte im Bregenzerwald eingeschneit und musste per Hubschrauber evakuiert werden. In Österreich blieb die Arlbergbahn und die Bahnverbindung zwischen Reutte in Tirol und Garmisch in Bayern geschlossen, in der Schweiz gaben die Autoverladestellen Furka und Oberalppass vorübergehend ihren Betrieb auf. Über 20 Verschüttete mussten geborgen werden, bis zu 40.000 Menschen waren eingeschneit und von der Außenwelt abgeschnitten. Durch Schneebruch und umstürzende Bäume erhielten Tausende Haushalte teilweise mehrere Tage lang keinen Strom.

Eindrücke und Auswirkungen im Alpenraum | Quellen: Privat, Facebook, Feuerwehr Bruck
St. Anton am Arlberg (A), 09.01.
© stantonamarlberg.com
St. Anton am Arlberg (A), 09.01.
© stantonamarlberg.com
Obergurgl, Tirol (A), 06.01.
© Jan Scheruhn
Glocknerstraße, Salzb. Land (A)
© Feuerwehr Bruck


Text: DK

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